Samstag, 16. Februar 2013

In der Anfangsphase verhält sich der Mensch mit narzisstischen Zügen komplementär, d. h., dass er den anderen in allem bejaht, von allem begeistert ist, Dinge vollbringt, nach denen sich der andere schon immer gesehnt hat (narzisstische Menschen verfügen zwar über eine geringe Empathie, nichtsdestotrotz erkennen sie zielsicher die Bedürfnisse des anderen als dessen Schwachstelle) usw. Die Spielarten dieser Eroberung sind ebenso vielfältig wie die Bedürfnisse der "Opfer": Kommt das "Opfer" aus einer sexuell frustrierenden Beziehung, wird die Erotik-Geige gespielt, legt das "Opfer" großen Wert auf seine intellektuellen Fähigkeiten, wird die Diskussions-Geige gestimmt etc.

Wenn dann das "Opfer" erobert ist, weil es sich am Ziel seiner Wünsche sieht, geht es mit der zweiten Phase los: Kontrolle durch Abwertung und Distanz. Um auf meine Quintessenz zurückzukommen: Wer in der ersten Phase AN SICH noch nichts ungewöhnliches festgestellt hat, der müsste spätestens jetzt etwas AN SICH bemerken. Während in der ersten Phase der Interessenverlust an allem, was einem ansonsten viel gegeben hat, noch durch das Gefühl der grenzenlosen Liebe erklärbar schien, so macht es ab der zweiten (und immer schon finalen) Phase Probleme zu verstehen, warum man SICH SELBST so verändert hat: Das ewige Kreisen des Narzissten um seine Bedürfnisse hat zum Resultat -sofern sich das "Opfer" auf diese Umlaufbahn begeben hat- dass man sich von seinen eigenen Bedürfnissen entfremdet hat.

Wer auf die plötzlichen Wutanfälle mit Besserungsplänen reagiert, um die "Harmonie" der Eroberungsphase wiederherzustellen, der hat schon der ersten Schritt zur SELBSTZAUFGABE vollzogen; der narzisstische Partner hat ab hier bereits sein Gefühls-Vampirismus-Programm auf der ersten Stufe in die Tat umgesetzt. Die weiteren Stufen des Zersetzungsprozesses spiegeln sich in der Gedankenwelt des "Opfers" in folgenden Gedanken und Nöten wider: Wie kann ich es wieder hinbekommen, dass es so wird wie früher? Habe ich wirklich etwas falsch gemacht? Kann ich die Probleme nicht "wegschmusen"?

Des Weiteren merkt das "Opfer" AN SICH eine ständige Verunsicherung, was die Belastbarkeit der Beziehung angeht. Es melden sich Ängste, ob man je noch einmal einen so tollen Partner findet - obwohl die Beziehung mittlerweile alles andere als toll ist. Der eigene Freundeskreis -sofern überhaupt noch vorhanden- ist ein weiterer guter Indikator dafür, ob man es mit einem narzisstischen Partner zu tun hat: Die allermeisten können nämlich die andauernden Klagen über die unglückliche Beziehung einfach nicht mehr hören, und zwar zu recht!

Der letzte Indikator ist meiner Meinung nach, dass das "Opfer" AN SICH feststellt, dass es kaum Möglichkeiten sieht, diese Beziehung verlassen zu können: Die Manipulationen des Narzissten haben bereits für eine so großen Verunsicherung geführt, dass MAN SELBER kaum noch weiß, was EINEM SELBST gut tut. Schafft man dann doch den Absprung, dann meist nur mit professioneller Hilfe, weil das Selbstwertgefühl so gut wie gar nicht mehr existiert. Man glaubt allen Ernstes, ohne den anderen nie wieder glücklich werden zu können, obwohl man es schon lange Zeit gar nicht mehr war.

Das Problem an der Erkenntnis, dass man an einen narzisstischen Menschen geraten ist, besteht darin, dass man schon nach kurzer Zeit auf die von mir beschrieben Dinge nicht mehr hört; anders: Man verlernt sehr schnell auf die eigene innere Stimme zu hören. Darin besteht die Schwierigkeit.

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